Wie gehabt… Was man sich auch vornimmt, es wird doch anders kommen. Wir sind nicht, wie geplant, zu den Geysiren gefahren. Na und? Wenig spektakulär. Richtig. Der Grund aber, weshalb wir nicht zu den Geysiren gefahren sind, ist es schon eher. Kurz gefasst und auf den Punkt gebracht: Ein 4×2 ist kein 4×4. Auch wenn er gleich aussieht. Gleiches Aussehen führt aber eben nicht zu gleichem Verhalten. In diesem Beitrag gibt es viele Bilder und ich versuche, weniger zu schreiben 🙂 Wird mir eh nicht gelingen, weil wieder eine (meiner Meinung nach) aufregende Sache dabei ist.
Der Reihe nach… Zunächst mal haben wir ja einen Ausflug in diese Mine gemacht – kostenlos, wohlgemerkt. Wir wurden nur gebeten, etwas an eine Stiftung für die Behandlung von kranken Kindern von Eltern, die kein Geld haben, zu spenden. Am Ende war die Dame, die die Spenden eigentlich einsammeln sollte, nicht da (nach Freitag, 16 Uhr!!), so dass die 3 Stunden lange Führung wirklich gänzlich kostenlos war. Zunächst sind wir mal ein die Geisterstadt Chuquicamata gefahren, die zur gleichnamigen Mine gehört. Die Stadt wurde irgendwann Anfang dieses Jahrtausends geräumt, weil *räusper* niemand in der Nähe von großen Industrieanlagen wohnen soll und die Verschmutzung zu stark war (Notiz für mich: Ein toller Film über die Stadt). Dass unterhalb der Stadt auch noch Vorkommnisse von Erz vermutet werden, hat mit der Sache vermutlich nichts zu tun. Lirumlarum, die leere Stadt war beeindruckend:
Stephen King hätte hier seine helle Freude gehabt…
Danach sind wir in die Mine gefahren, was schon spektakulär war, mit Fahrzeugen, die 364 Tonnen Gestein transportieren können und pro Tag ~4.176 Sprit verbraten (der geneigte Muldenkipperkenner erkennt einen Liebherr T282 B). Das sind 2.9l pro Minute, um mal wieder die Mathe-Kenntnisse rauszuholen. Hier ist der Diesel sehr günstig, ca. 50ct. pro Liter. Blöd für die Umwelt, dafür sehen sie aber cool aus.
Am nächsten Tag war die Idee, nach San Pedro de Atacama zu fahren, um uns dort das “Valle de la Luna” anzusehen, in einem günstigen Hostel zu übernachten und am nächsten Morgen die Geysire von Tatio anzuschauen. Die Fahrt war total entspannt, 100km/h Höchstgeschwindigkeit durch die Wüste – kein Verkehr, sehr cool. Der erste Blick auf die Anden und die “Cordillera de la Sal” sah dann so aus:
Eine große Wüste voller komischer Farben. Wir haben dann angehalten, damit ich ein Panorama schießen kann… (na klar habe ich das hier! :-D):
… wobei ich leider mein Handy verloren habe, was mir ca. 25 Minuten nach der Abfahrt aufgefallen ist. Umgedreht und wiedergefunden (Suchbild):
Danach waren wir also mit unserem Superwagen in das Tal – dazu zwei Galerien: Zunächst einfach nur Impressionen, die hoffentlich für sich selbst sprechen:
Dann ein paar Details von Gestein, das sich dort so gefunden hat:
Schließlich noch ein Panorama, das ich gebaut (und bei 360cities.net hochgeladen) habe… Schaut es Euch im Vollbildmodus an, ich finde es cool. Es ist übrigens die Düne, auf die Elena geklettert ist, wer genau schaut, kann man einen Punkt erkennen…
Inside Valle de la Luna, Chile
Jetzt kommt der nicht-so-lustige Teil: Wer auf dem Panorama oben nach “Norden” schaut, sieht vielleicht am Ende einen kleinen Einschnitt, wie eine Furt. Das sah für uns sehr interessant aus, weil dorthin auch – so haben wir es interpretiert – ein paar Reifenspuren führten. Dumm nur, dass das ein ausgetrocknetes Flussbett war, das “oben” eine Kruste harten Sands hatte, darunter aber extrem weichen. Dies führte dazu, dass unser Auto “eingebrochen” und steckengeblieben ist. Sämtliche Versuche, den (Miet!!!-)Wagen wieder mobil zu bekommen, haben die Situation eigentlich nur verschlimmert. Sandmatten oder sowas hatten wir nicht dabei, Geröll, das wir gesammelt und unter die Reifen gelegt haben, hat auch nicht geholfen. Schade, wenn man eben nur 2 und nicht 4 hinter dem 4x stehen hat. Das hätte hier richtig geholfen, wäre aber 30€ teurer gewesen. Irgendwann saß fast die Wanne schon auf. Es war ungefähr 16 Uhr und uns ist die gesamte Zeit kein Auto entgegen gekommen (oder hat uns überholt). Mobilfunkempfang ist übrigens etwas, das in dieser Gegend unbekannt ist.
Also haben wir unsere 4l Wasser, die wir dabei hatten, sowie warme Klamotten eingepackt, unsere Wanderschuhe angezogen und sind losmarschiert. Ich habe – und das war vielleicht noch das am wenigsten Dumme – vor der Fahrt auf alle unsere Geräte (2x Handy, 1x Tablet) MapFactor Navigator mit der Chile-Karte geladen. Laut Karte waren wir ca. 3km Luftlinie von der Zivilisation entfernt. Noch eine kleine nicht-ganz-so-dumme Sache, die ich gemacht habe war, dass ich wenigstens noch den GPS-Punkt an der Stelle gespeichert habe, wo wir das Ding versenkt haben. Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie ich (sorry) gekotzt habe, dass mir so etwas passiert. Nur noch zur Erinnerung: Am nächsten Tag sollten wir abends das Auto wieder abgeben, weil ja unser Flug nach Punta Arenas ging! In meinem Kopf spielte sich also folgendes Szenario ab:
- Raus aus dem Tal – 2-3h (17-18 Uhr)
- Jemanden finden – 1h (18-19 Uhr – dunkel)
- Nach San Pedro de Atacama gebracht werden und klären, was passiert: 1h (19-20 Uhr)
Um die Uhrzeit wird vermutlich nicht mehr viel gehen, weil der Wagen ja auch noch wiedergefunden werden muss!
- Nächster Tag: Abschleppmenschen suchen
- Mit Abschleppmenschen Wagen suchen
- Wagen befreien, hoffen, dass er ok ist
- Wenn ok: Irgendwie zurück nach Calama kommen und das Ding loswerden
- Wenn nicht ok:
- Mit der Mietwagengesellschaft reden
- Mein Leben verpfänden
- Irgendwie nach Calama kommen
Wir sind also losmarschiert und haben fröhliche Wanderlieder geträllert, als wir nach ca. 1.5h am Horizont Menschen auf einem Bergkamm stehen sahen! Zumindest waren wir uns sicher, dass wir aus der Nummer lebend rauskommen, das war ja schon was. Uns kam hier zu Gute, dass der Sonnenuntergang in dem Tal ein echter Hingucker ist (für den wir uns in diesem Moment ECHT nicht interessiert haben), und alle Menschen, die in der Nähe sind und Tour Guides Geld in die Hand drücken, dorthin kommen. Als wir näher an diese Menschen rankamen, mussten wir eine Düne queren, was doch tatsächlich dazu führte, dass uns aus der Menschengruppe eine Frau (vermutlich ein Guide) anpfiff, dass wir auf der Düne nicht laufen dürften – sie sei gesperrt! Ich dachte, ich höre nicht richtig und habe zurückgerufen, dass wir Probleme haben und einen Unfall hatten und anders aus dem Tal nicht rauskommen, woraufhin diese gute Frau (Mantra für mich: “Alle Menschen haben auch etwas Gutes in sich…”) zurück schreit, dass ihr das herzlich egal sei und wir uns von der Düne verpissen und einen anderen Weg suchen sollten (pardon my French, so war es aber). An diesem Punkt rief ein anderer Typ auf Englisch (alles bis hierher hat sich auf Spanisch abgespielt), ob wir ein Problem hätten und Hilfe bräuchten. Der Kerl, Juan Antonio Delgado Rodriguez, war unser Retter in diesem Moment – zumindest mental, wir waren ja schon fast unter der ganzen Horde Touristen, es war aber großartig, dass er einfach nur freundlich war.
Das sind wir auf den letzten Metern, er hat uns die Bilder hinterher zur Verfügung gestellt:
Als wir ihm unsere Situation erklärt haben, hat er uns gesagt, dass wir mit den Parkwächtern sprechen sollen (es war schon fast Sonnenuntergang), die könnten uns bestimmt helfen. Was dann passiert ist, entbehrt wieder jeglicher Beschreibung: Wir haben einen Parkwächter getroffen, der kein Wort Englisch spricht. Ich habe dann versucht, ihm zu erklären, was passiert ist, was er prinzipiell auch verstanden hat. Was er nicht verstanden hat ist, dass unser Auto in dem Tal steht und nicht (was ich in diesem Moment gelernt habe), irgendwo in einem offiziellen Bereich. Ohne es zu wissen, sind wir durch die Hintertür reingefahren – eigentlich muss man durch einen Eingang. Wir haben uns zwar gewundert, dass es den nicht gab, aber in Chile wundern einen so manche Dinge… Es war übrigens mittlerweile 20h und er meinte nur “Relajarse. Es una aventura!” Klar, Alter, ist ja nicht Dein Wagen, Dein Geld und Dein Flug. Aber irgendwie hat es funktioniert und Elena und ich konnten tatsächlich nochmal kurz zum Sonnenuntergang schauen:
Während er so durch die Gegend fuhr rief er seinen Bruder an, der, tataaa, Guide für das Valle de la Luna und für “Star Gazing” ist: Das sind Touren in das Tal, bei denen nachts der Sternenhimmel angeschaut und erklärt wird. Dort ist es so dunkel, dass man einen unglaublichen Blick auf die Sterne hat, Fiddi hätte seine helle Freude!
Wenn Ihr das nächste Mal in San Pedro de Atacama seid und eine Star Gazing Tour machen wollt, macht sie bitte bei Jorge Corante F. (http://www.adstargazing.com).
Kleine Randnotiz: Wer den Namen “ALMA” schon mal gehört hat und damit ein Radioteleskop verbindet: Das steht fast um die Ecke… Zusätzlich hat der Bruder übrigens ein 4×4. Also haben wir uns am “offiziellen” Eingang zum Tal mit dem Bruder und dem Vater des Patenkindes des Rangers getroffen, sind gegen 20.30 Uhr in den Wagen des Bruders gesprungen und in der Nacht offroad in den Park gefahren. Ich habe dem Kerl gezeigt, wo auf dem GPS die Position ist, woraufhin er losgefahren ist, ein paar Mal angehalten hat und zum Mond geschaut hat (kein Scherz), um nach ca. 45 Minuten vor unserem Auto zum Halten zu kommen. OK, ein bisschen führen konnte ich ihn auf dem letzten Kilometer auch noch, da kam mir mein Ortsgedächtnis, das ich, glaube ich, von Papa geerbt habe, auf jeden Fall zu Gute. Die ganze Zeit über waren die drei übrigens total entspannt und freundlich! Nachdem sie innerhalb von 5 Minuten den Toyota befreit haben, sind wir ihnen dann aus dem Park raus hinterher gefahren und waren überglücklich. Es sah so aus, als sei dem Wagen nichts passiert (was auch so war). Wir haben dann gefragt, was wir ihnen als Dank geben können. Sie waren eher entsetzt und meinten dann “[…] etwas für den verfahrenen Sprit”. Hat man Worte. Wenn mir diese Reise etwas zeigt, dann wirklich, dass es auf der Welt auch Menschen gibt, die einfach nur nett, freundlich und hilfsbereit sind. Wir haben ihnen dann etwas mehr als nur für den Sprit für das Auto gegeben – ungefähr das, was wir in eine 4 hinter dem x hätten investieren können ;-).
Das ist ein Screenshot aus Google Earth, die KML-Datei ist hier – dann kann sich, wer will (mein ich in der Zukunft z.B.) die Sache nochmal ansehen: Wo ist das Auto versackt, wo ist das tolle Panorama entstanden, was war der Weg zur Freiheit…
Ende. Weiter erzähle ich jetzt nicht, war ja auch lang genug wieder. Danke für’s Lesen 🙂
Ach, doch, die Konklusion fehlt noch: Nach der Geschichte hatte ich keine Lust mehr, um 4 Uhr aufzustehen und durch die Wüste zu den Geysiren zu fahren. Wir sind jetzt auf jeden Fall in Punta Arenas, über das, was nach der Schose hier passiert ist und was jetzt ansteht, berichte ich später.
Noch eine Sache zum Schluss: Papas Kommentar via WhatsApp – Danke für den Pragmatismus :-):
Jetzt habe ich seit ein paar Stunden überlegt (okay, nicht durchgehend), aber mir fällt echt kein besserer Kommentar ein als “Krasser Sch…!”
🙂 Das trifft es aber auch extrem gut, Martin. Vor allem, wenn man es hinter sich hat! Ich freue mich ehrlich schon auf den entspannten Kaffee samstags auf dem Markt. Was kann da schon groß passieren! Obwohl – Einiges, sage ich!
Zwei ältere Leute sitzen nach dem Frühstück auf der Veranda vor ihrem Wohnwagen in der Sonne und schauen auf den Bodensee. Sie holen das IPad, um sich über das neueste Weltgeschehen zu informieren. Als erstes fällt Ihnen natürlich dieser Blog ins Auge. Begierig wird er (vor)gelesen. Dann sitzen zwei ältere Leute vor ihrem Wohnwagen und sind sprachlos. Dazu fällt Ihnen nichts mehr ein.
Ach ja! Es fällt Ihnen doch noch etwas ein: Es gibt sie, die Schutzengel. Man muss sie nur erkennen. Und man erkennt sie sicher nicht an ihren Bankkonten.