Kalt-ruhig

Wir sind jetzt in Talhuin in ruhigeren (gefrorenen) Fahrwassern Ushuaia angelangt und hoffen, dass der Rest etwas weniger aufregend sein wird… Deshalb gibt es hier neben dem obligatorischen Bericht noch einen kurzen Nachtrag zu Santiago und zu San Pedro de Atacama.

Ich fange mal mit einem Nachtrag aus Santiago an, weil das früher und wieder eine spannende Sache war… Die Geschichte mit Elena, dem Taxi und der Rettung ist vielleicht noch präsent. Auf jeden Fall haben wir uns zwei Tage nach der Sache mit dem Mädel, das Elena gerettet hat, und ihrer Freundin auf ein Bier getroffen, weil sie (Daniella) nur wenig Englisch und Elena kein Spanisch spricht und ich ja ein perfekter Dolmetscher bin. Es wird 🙂 Es ist gut, wenn man gezwungen wird, Spanisch zu reden… Wie dem auch sei. Wir haben uns also auf ein Bier getroffen und etwas geplaudert, als uns Daniella fragte, was wir denn noch so vorhätten. Es war ca. 22 Uhr. Wir sagten etwas wie „noch ein Bierchen, dann ins Bett“, woraufhin Daniella meinte, ob wir nicht Lust hätten, mit zu Ihrer Familie nach Hause zu kommen – irgendwo in den Vororten von Santiago. Man träfe sich jeden Samstag zum Essen, Trinken, Tanzen und die Familie würde sich freuen, wenn wir mitkämen.

Wir sind dann mitgekommen und sind in einem netten Haus (bzw. dem zugehörigen Garten) gelandet, in dem schon die Oma, die Eltern, der Onkel und die Tante sowie die Schwester waren. In einer Tonne, die sich auch gut in der Bronx wiedergefunden hätte, befanden sich zwei Hühner, die vermutlich 4h gebraten wurden – über offenem Feuer. Es war fantastisch. Lustig wurde es, als der Papa uns zu Ehren die Nationalhymne ins Radio packte, aber leider keine Ahnung hatte, welche Strophe abgespielt werden sollte. Also habe ich ihnen in meinem diplomatensicheren Spanisch erklärt, dass „Deutschland, Deutschland über alles…“ nicht mehr dem Zeitgeist entspricht (die verstehen kein Deutsch…).

Beehrt wurden wir dann noch mit einer chilenischen Tanzeinlage, einem Cueca des Vaters und der Mutter – großartig! Als wir dann um drei Uhr gehen wollten, war die Familie ehrlich traurig. Eine tolle Erfahrung, und sehr positiv nach dem, was vorher passiert ist. Zusammen mit der Sache im Valle de la Luna überwiegen die tollen Eindrücke also deutlich!

Wir sind mit ihr noch im Kontakt…

Dann der Nachtrag zu Calama/San Pedro de Atacama: Wir sind ja, wie gesagt, nicht zu den Geysiren gefahren, weil ich keine Lust mehr hatte, sondern haben zunächst mal ausgeschlafen und sind dann in die Salar de Atacama gefahren. Hier haben Flamingos ein natürliches Habitat und wir konnten sie uns aus der Nähe ansehen. Gleichzeitig hatten wir die ersten Berge der Anden östlich von uns, die extrem gut aussahen! Schließlich haben wir Guanakos in freier Wildbahn getroffen – eine Spezies der Lamas, die in Chile und Patagonien / Feuerland sehr verbreitet sind und – laut Wikipedia – nicht bedroht sind. Auch mal eine nette Sache.

Anschließend sind wir ohne Zwischenfälle mit einem traumhaften Sonnenuntergang am Valle de la Luna vorbei (hahaha) am Abend nach Calama zurückgefahren, haben das Auto – ohne beanstandet zu werden – zurückgegeben und sind um 22:45 Uhr nach Santiago geflogen.

Sonnenuntergang über San Pedro de Atacama

Sonnenuntergang über San Pedro de Atacama

Dort haben wir bis 05:30 Uhr mehr oder weniger gut am Flughafen geschlafen und sind um 08:00 Uhr mit dem um acht Tage verspäteten Flug endlich nach Punta Arenas geflogen. Punta Arenas liegt an der Magellanstraße und ist eigentlich als Ausgangspunkt für Ausflügen in den Nationalpark „Torres del Peine“ bekannt. Weil wir keine Zeit mehr hatten (Danke, Sky Airlines), haben wir das leider nicht gemacht und haben uns eher die Stadt angesehen und sind etwas in Richtung der „Reserva Nacional de Magellanes“ gelaufen. Hier haben wir, nachdem wir schon das Gefühl hatten, dass nichts passiert, endlich unser Abenteuer: Als wir unbekümmert durch eine sehr schöne Aue gelaufen sind, kamen auf einmal aus ca. 500m Entfernung um gestreckten Galopp zwei Wachhunde hinter uns her gerannt. Mit der festen Absicht, denen ordentlich einen unter den Kiefer zu geben, sollten wir nicht schnell genug aus deren Gebiet kommen, haben wir zunächst mal Fersengeld gegeben. Nachdem wir über einen Bach gesprungen sind, waren wir mit der Nummer durch, nichts passiert. Aus diesem Grund gibt es aber leider kein Bild von dieser Szene, aber ein Satellitenbild vom Ort des Geschehens…

Viel zu sagen gibt es ansonsten nicht aus Punta Arenas, außer dass wir noch ein fantastisches Café namens „Chocolatta“ entdeckt haben, das wir gut genutzt haben. Ach ja, von den 25°-30°C aus der Wüste sind hier übrigens noch 7-8°C übriggeblieben.

Am Mittwoch sind wir dann mit dem Bus von Punta Arenas nach Tolhuin gefahren, ein Ort mit sagenhaften 1.800 Einwohnern am Ostende des Lago Fagnano.

Hierfür mussten wir die Magellanstraße mit einer Fähre überqueren, um auf die “Isla Grande de Tierra del Fuego” zu kommen, was uns unerwartet die Möglichkeit gegeben hat, Pinguine „live“ zu sehen 🙂 Die Umgebung war dort übrigens toll, mehr wie eine Tundra, unglaublich weit.

In Tolhuin war wirklich nichts, dafür hatten wir eine traumhafte Unterkunft mit Seeblick.

Dumm ist, dass der einzige Geldautomat in Rio Grande, wo wir das erste Mal in Argentinien ausgestiegen sind, kein Geld mehr hatte und wir deshalb komplett ohne argentinisches Geld auskommen mussten. Auch in Tolhuin das gleiche Spiel: Kein Geld im Automaten. Nicht so toll, zumal sich gebuehrenfrei von der advanzia-Bank, die Herausgeber meiner Mastercard, überlegt haben, dass sie meine Karte sperren sollten, weil es aus ihrer Sicht unberechtigte Anfragen gab. Eigentlich gut, wenn man außer Acht lässt, dass

  • Elenas Mastercard in Brasilien gesperrt wurde
  • Meine VISA-Karte von Amazon in Brasilien geblieben ist, weil ich damit extrem hohe Kommission bezahlen muss
  • Ich meine DKB-VISA-Karte verloren habe

Das bedeutete also, dass wir mit der DKB-Karte von Elena kein Geld bekommen, weil alle Automaten leer sind, meine Mastercard gesperrt ist und wir kein Bargeld hatten. Nicht so schön. Die Auskunft, was mit meiner Karte passiert ist, wurde mir übrigens ausschließlich telefonisch übermittelt. Da es pro Einwohner in Tolhuin nur ein Byte pro Sekunde Übertragungsgeschwindigkeit gibt, war das Internet prinzipiell für drei Tage aus, an Skype war nicht zu denken. Ich habe also eine Viertelstunde für 1€ pro Minute vom Telefon der Hosteria aus mit der advanzia-Bank telefoniert, nur um rauszufinden, dass eigentlich nichts zu machen ist. Schade eigentlich. Wir mussten nämlich heute noch nach Ushuaia, was ja eigentlich das Ziel der ganzen Unternehmung ist! Wir könnten die letzten 130km mit dem Minibus für 300 Pesos pro Person (zzgl. 1,75% Kommission für die DKB-Karte, Ihr erinnert Euch) fahren, das sind rund 19€, das war uns aber zu teuer. Elena meinte, dass es kein Problem sein sollte, per Anhalter zu fahren – was sich auch bewahrheitet hat! Diese beiden in Ushuaia lebenden aber über das Wochenende nach Tolhuin fahrenden Vater und Tochter haben uns mitgenommen und während der Fahrt ihren Mate mit uns geteilt. Eine sehr nette Unterhaltung mit Zwischenstopp am höchsten Punkt der Fahrt zum Fotografieren 🙂

Jetzt sind wir in Ushuaia, haben Geld bekommen, sind durch die Stadt gelaufen und warten mal ab, was die nächsten zwei Tage so passiert. Zunächst wollen wir morgen auf den Gletscher und übermorgen in den Nationalpark. Wir sind übrigens bei ~0°C und Schnee angelangt 🙂

Eine Sache noch in eigener Sache: Ich habe mir mal Gedanken darüber gemacht, warum ich das hier mache. Grund war, dass ich mir überlegt habe, was der geneigte Leser denn wohl über diese (*Plural_von_Sermon*) denkt und wer denn das Zielpublikum ist. Ich schreibe ja sau viel, zu viel für einzelne „Blogbeiträge“, was, wenn man nicht gerade Urlaub hat, zu viel Zeit zum Lesen kostet! Das tut mir für meine Freunde leid, die – voll berufstätig – sicherlich auch mit kürzeren Texten auskommen würden. Interessanterweise ist – nach reiflicher Überlegung – das Zielpublikum aus meiner Sicht folgendermaßen:

  • Ich
  • Meine Eltern
  • Meine Freunde und Familie

In dieser Reihenfolge. „Rest der Welt“ spielt keine Rolle.

Bei den allermeisten Sachen freue ich mich selbst, während ich sie schreibe (fällt vielleicht auch auf: Wenn ich „interessanterweise“ schreibe, glaube ich nicht, dass das jeder interessant findet; ich finde es interessant). Ich glaube, ich werde mich auch noch in ein paar Jahren freuen – oder schämen, worüber ich mich dann vielleicht auch freuen kann… Dann weiß ich sehr sicher, dass meine Eltern sich freuen, was mich wiederum freut. Bei meinen Freunden bin ich mir nicht so sicher, aber Leute, ehrlich: Überspringt einfach, ich laber Euch eh die Ohren voll, wenn ich zurück bin 😉

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9 Antworten zu Kalt-ruhig

  1. Wolfgang Stein sagt:

    Danke!

  2. Ich, für meinen Teil, nehme mir gern die “Auszeit” (zum Beispiel auf einer Bahnfahrt) und lasse mich von dir/euch für ein paar Minuten ins Abenteuer mitnehmen. Vor allen aber bin ich gespannt, wie du es schaffen wirst, solche Stories demnächst auch wieder aus der Heimat zu schreiben. Aber ich kenne dich und weiß: Du fährst auch hier mit einem 4×2 in die Wüste und überlegst dir, dass es “da drüben hinter dem Sandhügel, wo bestimmt nur ganz kurz keine Straße ist” echt schön sein muss. Und wenn ich kann, mache ich mit. 🙂

    Schreib weiter!

    • Armin Stein sagt:

      Hahaha, Danke für die Antwort 🙂 Wie ist das denn vergleichbar in Münster: “Sollen wir mal mit dem Auto nach Bielefeld fahren??? Das geht bestimmt!” 😉 Freut mich, wenn es die Zugfahrt etwas aufmuntert!

  3. Wolfgang Stein sagt:

    Heute haben wir noch einmal in aller Ruhe die wunderbaren Bilder angeschaut. Den spontanen Vergleich mit einem Blick über den Bodensee zum Alpstein verwarfen wir sofort. Gibt es ein Bild von dem Omnibus, mit dem Ihr doch mindestens 400 km von Punto Arenas nach Tolhin gefahren seid? Und war diese Fahrt nicht traumhaft?

    • Armin Stein sagt:

      Die Fahrt war sehr schön, ja, auch wenn wir einen Teil davon verschlafen haben 🙂 Ich habe aber die meiste Zeit aus dem Fenster geschaut, was grandios war, weil wir in der zweiten Reihe saßen und freien Blick durch die Windschutzscheibe hatten. Der Bus war wenig spektakulär, sehr komfortabel, wie eigentlich alle Busse hier: Sie sind mit das verbreitetste Fortbewegungsmittel, auch über große Distanzen hinweg. 12-20h-Touren sind hier absolut üblich, wir hätten von Ushuaia auch in drei Tagen nach Buenos Aires oder von Buenos Aires nach Rio fahren können… Ein Bild vom Bus gibt es, ja: Hier. Beinfreiheit super, wir haben auf der Fahrt

      • 1 Kaffee
      • 1 Tüte Salziges
      • 1 Päckchen O-Saft
      • 1 Müsliriegel

      bekommen. Alles in allem hat die Fahrt pro Person übrigens 20.000 Chilenische Dollar gekostet, das entspricht ungefähr 30€.

  4. Katrin Bergener sagt:

    Also ich finde die “interessanterweise”-Ausführungen auch tatsächlich interessant! Und wenn du schon nicht neben mir im Büro sitzt, um mich vollzulabern (was echt fehlt!), muss ich mir wohl deine geschriebene Laberei reinziehen 🙂 🙂 🙂 Schöne Einstimmung zum Wochenende…Viel Spaß noch!

    • Armin Stein sagt:

      Hahaha! Ich sehe schon… Wenn ich eine Woche wieder zurück bin, wirst Du Dich nach Ruhe sehnen! 😉 Ich habe auf jeden Fall einen Vorschlag: Nach 60er, 90er und Aggro würde ich einen Lateinamerika-Tag einschieben… Mach Dir schon mal Gedanken!

  5. Martin sagt:

    Jetzt habe ich mich schon ewig nicht mehr geäußert, was wohl daran liegt, dass ich die Berichte mit großen Interesse aber eben meistens morgens beim Kaffee auf dem Handy lese und dann keine Lust habe Kommentare zu verfassen. Ich bleibe aber gespannt, was die letzten Tage bei Euch noch bringen/gebracht haben.

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